Hand oder Herz?

Zugegeben, der Titel dieses Eintrags ist etwas daneben. Und das auch noch nach einer längeren Posting-Pause. Für beides habe ich eine Entschuldigung, gern auch als Ausrede benennbar.

Es ist so, dass ich derzeit für eine andere längere Arbeit recherchiere und kaum zum Schreiben komme. Wenn es mich doch an den Laptop zieht, dann nur für die Arbeitsnotizen. Wenn es soweit ist, werde ich das Geheimnis lüften und meine Ergebnisse präsentieren.

Der Titel mit Hand und Herz ist als Alliteration ein kleiner Blickfang, der in seinem tiefsten Inneren einen wahren Kern versteckt hält. Welchen, das möchte ich euch erzählen:

Bei meinem Forschen und Erkunden abseits des Blogs stieß ich auf eine Aussage, die meinen Denkapparat anschmiss und bis jetzt nicht ruhen ließ.

Ein Mann (!) sagte, er würde bei Frauen besonders auf deren Hände achten. Dabei sollten diese zart, gepflegt, frisch lackiert und hübsch anzusehen sein. Auch bei Füßen und Fußnägeln erwarte er dieselbe Ansicht.
Er sagte noch einiges mehr, von langen Haaren und schlankem Körper. Doch das war dann schon nebensächlich. Denn über die Stereotype der langhaarigen und langbeinigen Schönheit habe ich mich hier glaube ich öfter mal ausgelassen. Meine Gedanken kreisten um die Hände der Frau…und ja, auch ihre Füße.

Wie es sich gehört, berichte ich erstmal von mir. Denn – wie ich es in sämtlichen ethnografischen und feministischen Lehrveranstaltungen gelernt habe, sollten wir uns zunächst selbst verorten. Schließlich sollte jede/r nachvollziehen können, von welcher Warte aus ich diese kleine Predigt verfasse.

Meine Fußgeschichte beginnt früh: schon als 4-Jährige war der Traum von niedlichen Schleifchen an den Schuhen ausgeträumt. Denn Mütterchen Russland in den 1990ern war nicht gerade ein Shoppingparadies für Kindermode. Erschwerend kam mein seeeehr groß geratenes Pfötchen hinzu. Während also meine SpielkameradInnen ihre Lackschühchen spazieren führten, musste ich mit halberwachsenen Schuhen vorlieb nehmen. Nur gut, dass meine Sportlereltern nicht so viel Wert auf Klamotten legten, außer deren Funktionalität und Bewegungsfreiheit.
Aber es war wie es war und wurde auch nicht besser. Je älter ich wurde, desto größer wurde auch mein Fuß. Ja, ich war auch sonst nicht gerade die Kleinste. Darum fiel das nicht immer auf, weil ich in jeder Klassenstufe bis weit in die Oberstufe hinein alle überragte. Trotzdem war Größe 41/42 in der 5. Und 6. Klasse manchmal zu goß und zu viel.

Ich quetschte mich bald in zu kleine Pumps, kam damit nicht wirklich weit und wenn, dann waren aufgeplatzte Blasen inklusive. In ein paar Jahren dieser Qual hatten sich ein paar Zehen etwas verformt und auch die Haut auf Ferse und Sohle war nicht mehr ganz so babyzart, wie sich das manch einer wünscht.

Wer sich mal auf dem Markt umgesehen hat, weiß Bescheid, dass 40 und 41 ganz oft die größten Größen darstellen – bei explizit frauenbezogenen Exemplaren. Bei 42 wird die Auswahl kleiner und es wird schwerer, etwas Anständiges zu finden. Für mich hieß das immer Zähne zusammenzubeißen und so zu tun, als würde ich nichts anderes kennen. So vermied ich auch, zu viel barfuß zu laufen. Für mich war diese Entscheidung eine mindestens genauso große Qual, wie das Quetschen. Denn ich LIEBE es mit nackten Füßen über Sommerwiesen, über steinige Pfade, über kalte Erde und warmen Sand zu laufen. Aber ich sagte mir, meine Füße würden noch größer und breiter werden, würde ich sie erst aus dem Ruder laufen lassen.
Bescheuert, ich weiß das!
Und zur Beruhigung: heute bin ich nicht nur schlauer sondern pfeife auch auf diesen ganzen Mist, von wegen kleine Füße – schöne Frau! Ich trage auch mal „Gesundheitslatschen“ – weil ich meinen Füßen sehr viel schulde.
Und wenn meine Größe nicht vorhanden ist, dann eben nicht! By the way: meine engen und zu kleinen Fuß-Daumen-Schrauben bin ich zwischenzeitlich alle los und habe tatsächlich ein Paar gute schwarze Lederpumps, die ich zu jeder Gelegenheit tragen kann – sogar barfuß!

Nach der Fußgeschichte folgt die meiner Hände. Mit ihnen war ich auch nie so richtig eng befreundet. Da ich mit einer seltsamen Problemhaut ausgestattet wurde, bei der kein/e ÄrztInnen einen Rat hatten, konnte es nicht anders kommen.

Alles begann damit, dass ich eine Art ganzjährliche allergische Reaktion auf den Handflächen aufwies. Das bedeutete für mich ständiges Jucken und Brennen. Manchmal kratzte ich so sehr, bis meine Hände bluteten – damit der Juckreiz zugunsten des Schmerzes abklingt… Ja, etwas masochistisch, aber es half!
Diese Kratzorgien gingen nicht spurlos vorbei und meine Hände waren eben nicht die hübschen zarten einer Dame. Eher die einer schwer arbeitenden Bauarbeiterin. Natürlich erreichte mich irgendwann die Pubertät, wo das Leiden irgendwie dazugehört. Ab und an ließ ich meine Nägel etwas länger werden und lackierte sie in allen möglichen Farben.
Dazu muss ich sagen, dass ich ABSOLUT kein Fan dieses Maniküre-Wahns bin. Kaum ist die Farbe drauf, splittert etwas und sie muss wieder ab. Mit meinem sonstigen Perfektionismus konnte ich das nie vereinbaren. Im Idealfall würde es heißen, ich müsste den ganzen Tag damit verbringen, zu lackieren und wieder zu lackieren. Das ist doch nicht der Sinn des Lebens!
Außerdem ist es mir ein Graus zu sagen, ich könnte etwas nicht tun, weil meine Nägel brechen könnten. Ich putze gern, ich greife gern in die Erde und ich bin bei jeder Handwerklichkeit dabei. Da kommt der fragile Lack und ebensolche Nägelchen zum Bröckeln.
Heute mit 26 bin ich mit großen Füßen (auf denen ich übrigens sehr stabil auf dem Boden der Tatsachen stehe!) und unzarten Händen einverstanden.

Und jetzt zum männlichen Verlangen. Nein, ich sehe mich in dieser Forderung nicht mit angesprochen.
Aber das ist gar nicht der Grund meiner Kritik. Es ist viel mehr diese männliche Arroganz solche Wünsche zu äußern und vorauszusetzen. Auch ich habe bereits Erfahrungen mit Männern gemacht, die das als weibliche Pflicht sahen, „schöne“ Hände und Füße zu haben. Dabei ist schön hier nicht nur gepflegt, sauber und gesund. Schön ist nur die Oberfläche. Roter Nagellack ist immer noch das wohl verbreitetste Ideal.
Für mich war das nie was. Rot lenkt die Aufmerksamkeit nur noch mehr auf die jeweiligen Körperpartien. Also nix mit leidenschaftlichem Rot. Leidenschaft äußert sich bei mir einfach etwas anders.

Was mich aber noch mehr aufregt ist nicht die Forderung der Männer nach zarten Frauenhänden oder -füßen. Es sind DEREN eigene Hände und Füße!
Schon klar, es gibt sie, diese reinlichen männlichen Wesen, die selbst Hand anlegen, feilen, kürzen und polieren oder es die netten Damen im Salon machen lassen. Ja, mir sind diese Exemplare bekannt. Sie sind meist gar nicht so sehr darauf fixiert, dass auch Frauen diese Prozeduren auf dieselbe Weise durchführen, wie sie.
Meist sind diese Klischeeansichten auf Frauen und die Rechte und Pflichten ihrer kosmetischen Aktivität geprägt von denjenigen Männern, die selbst ihre Extremitäten im katastrophalen Zustand halten. Nach dem Motto: ein Mann braucht das nicht! Sie lassen ihre Nägel unkontrolliert wachsen, laufen tagelang mit Dreck unter diesen herum und scheren sich nicht, wenn ein Fußnagel Löcher in die Socken schneidet…
Nagelhaut an Händen wird praktischerweise mit den Zähnen gezähmt und Hornhaut? Was ist Hornhaut?

Ein kurzer Moment der Ekel-Überwindung :)…

Ich möchte hier gar kein Fazit ziehen. Und ich möchte euch, liebe Männer (mit und ohne gepflegte Hände und Füße) gar nicht mit meinen Erwartungen belästigen. Ich möchte nur auf die individuellen Zustände von uns allen aufmerksam machen. Obwohl ich mich mit meiner Hand- und Fußsituation arrangiert habe und mich eine offensive Anklage, von wegen „schöne Hände und Co.“ nicht mehr aus den Latschen kippen lässt. Andere Frauen können sich ganz anders damit fühlen. Sie könnte ihre eigene Leidensgeschichte haben. Aber auch ganz ohne Leiden! Warum MUSS frau diese ganze Kosmetikverwirrung mitmachen wollen? Krankenhauspersonal darf z.B. sowieso keine langen, lackierten Nägel haben. Ist das dann ein Vergehen? Sind Schwielen an den Händen ein Minus für eine Frau? Vielleicht hat sie eine ganze Wohnung renoviert? Allein! Vielleicht ist die mechanisch tätig, vielleicht ist sie Gärtnerin oder führt Kinder durch heimische Wälder?
Wichtiger ist doch, dass SIE die Frau ist, die ihr gut RIECHEN und SCHMECKEN könnt. Wichtiger ist, dass ihr euch versteht. Wichtiger ist, dass ihr ähnlichen Standards der Körperpflege folgt.

DAS ist nämlich AUCH Gleichberechtigung! Eine Annäherung aneinander, eine gemeinsame Basis.

Ich finde, regelmäßiges Duschen mit Seife und einem ordentlichen Schwamm ist super – inklusive der Hände, der Füße und einem weiteren Streitthema: Haare!

Nun denn: happy showering

❤ KF